Aufruf zur Unterstützung der Frauenbewegung im Iran
zwecks Aufhebung der geschlechtsspezifischen Diskriminierungen
Die 44. Tagung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik (FiNuT) 2018 in Darmstadt ruft die deutsche Öffentlichkeit auf, die Menschenrechtsbewegung der iranischen Frauen zwecks Aufhebung der dort herrschenden Diskriminierungen gegenüber Frauen, der Entziehung ihrer gesellschaftlichen Rechte und der Verhinderung ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit zu unterstützen.
Die Versammelten der Tagung unterstützen mit dieser Resolution die Bewegung der iranischen Frauen. Sie fordern die Aufhebung aller Formen von Benachteiligung und des niedrigen Statuses von Frauen im Iran. Insbesondere fordern wir die unverzügliche Abschaffung der diskriminierenden Bekleidungsvorschriften und Zwangsverschleierung sowie die Beseitigung der eklatanten rechtlichen Benachteiligungen von Frauen in Familie, Gesellschaft und Geschäftsleben. Dies ist für den gesellschaftlichen Wandel unverzichtbar und dient zugleich der internationalen Befreiung der Frauen.
Gegenwärtige Situation
Zweitrangigkeit und Bevormundung der iranischen Frauen, die als Menschenrechts-verletzungen zu betrachten sind, werden hier für verschieden Bereiche des täglichen Lebens beschrieben.
Die Zwangsverschleierung und weitere Bekleidungsvorschriften im öffentlichen Raum wurden 1979 trotz gegenteiliger Beteuerung des Ayatollah Khomeini vor der Machtübernahme schon 3 Wochen nach der „Revolution“ eingeführt. In Familienrechtsfragen sind die Frauen massiv benachteiligt. Männer dürfen gleichzeitig mit vier Frauen verheiratet sein und zudem bis zu 40 Frauen auf Zeit nehmen. Das Recht zum Einreichen der Scheidung und das Sorgerecht stehen im Allgemeinen den Männern zu, den Frauen nur in seltenen Fällen. Im Erbrecht sind Frauen benachteiligt: männlichen Familienmitgliedern stehen zweimal mehr Anteile des Erbes zu als Frauen. Im Falle des Todes des Ehepartners darf eine Frau, die Kinder hat, nur 1/8 der Hinterlassenschaften des Ehepartners erben. Auch im Geschäftsleben sind Frauen massiv benachteiligt. Bei geschäftlichen Transaktionen und vor Gericht zählt die weibliche Stimme nur halb soviel wie das Votum eines Mannes. Die Berufswahl von Frauen ist in einigen Berufen eingeschränkt. Zum Beispiel sind Frauen nur in speziellen Bezirksfamiliengerichten als Richterinnen zugelassen. Auch sind Frauen nicht für Ämter in höheren Rängen des Klerusbereichs oder auch als Präsidentin des Irans zugelassen. Frauen sind von Entlassungen aus Universitäten, Schulen und Behörden betroffen, wie viele andersdenkende Personen, die den ideologisch begründeten Entlassungen ausgesetzt sind. Frauen ist es nicht gestattet als Sängerinnen solistisch aufzutreten. Sie dürfen ohne Erlaubnis eines männlichen Familienmitgliedes nicht ins Ausland reisen. Frauen dürfen nicht an einer Sportveranstaltung in einem Stadion teilnehmen. Diese geschlechts-spezifischen Diskriminierungen sind Menschenrechtsverletzungen.
Alltäglicher Widerstand der Frauen
Die Widerstandsleistung der iranischen Frauen in den letzten 39 Jahren ist trotz politisch und religiös motivierter Regularien, Racheakte und Auftragsmorde gegen Frauen eindrucksvoll erfolgt, teils in Form von Zivilcourage, teils in Form einer Bürgerrechtsbewegung. Frauen belegen 66% der Studienplätze im Iran. Sie widersetzen sich den Kleidervorschriften. Das Zusammenleben unverheirateter Paare wird trotz des strikten Verbots gewagt. Es gibt mehrere Zusammenschlüsse von gleichgesinnten Frauen in Frauenorganisationen. Es wurden Zentren für Frauenstudien an den Universitäten gegründet. Frauen werden international als agierende Regisseurinnen, Anwältinnen, Künstlerinnen und Schriftstellerinnen anerkannt. Die iranischen Frauen haben eine Friedensnobelpreisträgerin hervorgebracht, eine Weltraumtouristin und die erste Frau der Welt, die die Fields-Medaille für Mathematik erhalten hat. Frauen engagieren sich in allgemeinen politischen Bewegungen, als politische Gefangene und wehren sich ganz aktuell als „Töchter der Revolutionsstraße“ gegen Zwangsverschleierung. Die iranische Frauenbewegung hat sich als eine gewaltfreie und fortschrittliche Menschenrechts-bewegung erwiesen und ihre Forderungen nach Gleichberechtigung und Freiheit auf die internationalen Menschenrechtserklärungen und Frauenrechte bezogen.
Darmstadt, den 12 Mai 2018
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Appeal to support the Iranian women's movement
in order to abolish gender discrimination
(english translation)
The 44th Conference of „Women in Science and Technology“ (Frauen in Naturwissenschaft und Technik (FiNuT)) 2018 in Darmstadt appeals to the German public to support the Iranian women´s human rights movement, in order to abolish the ruling discrimination against them, the deprivation of their social rights preventing them from making personal choices freely.
The assembled conference members support the Iranian women´s movement with this resolution. They claim the abolishment of low status of women in Iran and all discrimination forms aginst them. Specifically they claim the immediate abolition of discriminatory dress codes and compulsory veiling as well as the elimination of blatant legal discrimination against women in family, social and business life. This is indispensable for a social transformation there and serves simultaneously the international liberation of women.
Present situation
The following topics describe the secondariness and paternalism of Iranian women in various areas of daily life, which are to be regarded as human rights violations. The compulsory veiling and other clothing codes in public life were ordered by Ayatollah Khomeini in 1979 merely three weeks after the „Revolution“, despite his propositions before coming into the power. Women are massively disadvantaged in family law matters. Men are allowed to be married with four women at the same time and may also take up to 40 temporary marriage contracts. The right to file for divorce and child custody is generally granted to men, to women however only in rare cases. Women are disadvantaged in inheritance law: male family members are entitled to twice as much legacy as women. In case of a husband´s death, a woman with children may only inherit 1/8 of his legacy. Women are also massively disadvantaged in business life. In business transactions and in front of court the female vote counts for only half as much as a man’s one. Women‘s career choices are also restricted, for example, women are admitted as judges only in special district family courts. Women are neither admitted to uppest position in the clergy, nor as a president of Iran. Women are affected by lay-offs from universities, schools and public authorities, like many dissidents, who are decruited due to ideological reasons. Women are not allowed to perform as solo singers. They may not travel abroad without a male family member’s permisson. Women may not attend sport events in stadiums along with men. These gender discriminations are violations of women´s human rights.
Daily women ´s resistance
The resistance of Iranian women over the past 39 years has occured impressively, partly in form of civil courage and partly in form of a civil rights movement, despite politically and religiously motivated regulations, revenge acts and ordered contract killings against them. More than 66% of students in Iran are women. They defy and oppose the dress code. Unmarried couples venture cohabitation, despite the respective strict ban. There are several women’s organisations of like-minded women. Centres for gender studies have been established at some universities. Iranian women have achieved international recognition as executive directors, lawyers, artists and writers. Among the Iranian women there are a Nobel Peace Prize winner, a space tourist and the first woman in the world, who was awarded with the Fields Medal for Mathematics. In political movements and as political prisoners women have been involved, defending their rights, currently as “Daughters of the Revolution Street” defying the compulsory veiling. The Iranian women’s movement has proven itself as a non-violent and progressive human rights movement, and refers its demands for equality and freedom to the international human and women rights declarations.
Darmstadt, 05/12/2018
http://finut.net/doku/finut2018-resolution-iranerinnen.pdf
http://finut.net/